Dienstag, 25. März 2008

Bürokratie wegen 5 Rubel

Gerade konnte ich wieder ein typisches Beispiel für Bürokratie in Russland erleben.
Folgende Situation: Ich musste zwei Dokumente ausdrucken. Die einzige Möglichkeit in der Uni ist hierzu die „elektronische Bibliothek“ in Korpus 3. So heißt hier der Raum mit Drucker und Internetzugang (Kostenpunkt für 1 Stunde Internet: 50,- Rubel = 1,30 EUR). Dort wendet man sich an den „Konsultant“ (eine Frau), gibt ihr seinen USB-Stick, und sie druckt es aus.

OK, das klingt noch normal. Jetzt kommt aber die Bürokratie ins Spiel: Bezahlen kann man in der Elektronischen Bibliothek nämlich nicht. Das muss man bei der Unikasse machen, für die der Konsultant einen Zettel ausfüllt. Diese Woche ist die Kassiererin in Korpus 3 jedoch krankgeschrieben, deshalb muss man zur Kasse in Korpus 3. Der Kasse vorgeschaltet ist die Buchhaltung, die eine extra Zahlungsanweisung verfasst, damit man damit dann bei der Kasse bezahlen kann. Der Amtsschimmel wiehert kräftig: Wieso gibt es nicht einfach eine kleine Kasse in der Elektronka? Wenn man nur 1 Seite (= 5,- Rubel = 13 Cent) ausdruckt, müssen dafür drei Personen in Bewegung gesetzt werden.

Also machte ich mich auf den Weg Richtung Korpus 3. Wie es immer ist, wenn man sich beeilen muss (die Elektronische Bibliothek sollte 15 Minuten später schließen), stand vor der Buchhaltung eine lange Schlange, die sich nur langsam vorwärtsbewegte. OK, dann gibt es heut halt keinen Ausdruck. Toll, die Bürokratie hat mal wieder gesiegt.

In der Elektronka meinte ich nun, ich könne heute nicht mehr bezahlen: „Dann bringen Sie uns halt morgen die Bestätigung, dass sie bezahlt haben. Ihre Ausdrucke können Sie schon mitnehmen.“ Der/die Konsultant war also alles andere als bürokratisch. Sie hätte einfach sagen können: Dann gibt es keinen Ausdruck! Stattdessen vertraute sie mir einfach, dass ich morgen bezahle. Echt nett!

Typisch Russland: Auf der einen Seite die Komplexität eines unverständlichen bürokratischen Systems, bei dem es vor allem darum geht, ja keine Kompetenzen an andere Leute abzugeben und selbst alles zu kontrollieren. Auf der anderen Seite die fehlende Durchsetzung; es gibt ganz viele Regeln, aber am Ende kann man sie dann doch umgehen. Leider funtioniert so kein Rechtsstaat, und Erwartungssicherheit wird auch nicht geschaffen: Gilt das, was heute gilt, auch morgen? Kann ich mir sicher sein, dass ich das, was mir zusteht, auch bekomme? Kann ich überhaupt im Voraus planen?

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Gilt das, was heute gilt, auch morgen? Kann ich mir sicher sein, dass ich das, was mir zusteht, auch bekomme? Kann ich überhaupt im Voraus planen?" - Nein!)) In Russland freut man sich darüber, was man heute und nicht morgen hat. Warten und Verlieren würde ich in Russland als Synonyme bezeichnen. )

Nimm alles so an, wie es ist. Und du wirst merken, wie sich dein Leben in Moskau verändert:))) Die Regeln werden dazu gedacht, um sie umzugehen und das macht "Spaß", den kaum jemand in Deutschland versteht!)

TT hat gesagt…

Hej orange-muk,
aber irgendwann hat man auch genug davon, alles immer so akzeptieren, wie es ist. "Regeln sind dazu gedacht, sie zu umgehen." - dann sollte man doch eher die Regel abschaffen, oder nicht.
Mir macht es jedenfalls keinen Spaß, wenn die Pharisäer, äh, Bürokraten das eine sagen und das andere verlangen.