Dienstag, 25. März 2008

Zwei Seiten der Medaille

Michail Gorbatschow hat einen offenen Brief „An meine Freunde, die deutschen Journalisten“ geschrieben. Darin geht es um die Russland-Berichterstattung in deutschen Medien. Diese verbreite oft zu negative einseitige Bilder und erzeuge bei vielen Russen das Gefühl, von Deutschland nicht gemocht zu werden. Im Sinne der gegenseitigen Verständigung sei dies ein Hindernis.

Über Russland zu berichten ist nicht einfach. In der Tat geschehen hier sehr viele Dinge, die aus unserer westlichen Perspektive und auch aus Perspektive vieler Russen zu kritisieren sind. Hinzu kommt, dass einem als Auswärtigen vor allem diejenigen Dinge auffallen, die ungewohnt sind und mit denen man zu kämpfen hat. Beispiel: Bürokratie. Und tatsächlich sind viele Dinge auf ein fehlendes Demokratieverständnis bei den Eliten und in der Gesellschaft zurückzuführen.

Was Gorbatschow auch sagt: Wer hauptsächlich Negatives schreibt, der liebe Russland nicht. Dem stimme ich nicht zu. Denn oft ist es sogar andersherum. Gerade weil dieses Land vielen russischen und westlichen Journalisten nicht egal ist, prangern sie die Dinge an, die ihnen weh tun.

Auch sonst kann hier einem wirklich viel auf den Keks gehen: Wer steht schon gerne 30min in der Schlange bei der Post, um zu hören, der Schalter mit den Briefmarken habe heute nicht geöffnet. Das ist aber kein Zufall, sondern das chaotische System der russischen Post.

Hier gibt es vieles Positives und Negatives, Schönes und wenig Schönes. Beides sollte in dem vorkommen, was man von Russland schreibt. Ich habe den Eindruck, dass die meisten das zu tun versuchen. Was man als Mensch aus dem „Westen“ auf jeden Fall nicht haben sollte: Überheblichkeit. Denn: 1) Bei uns ist auch nicht alles Gold, was glänzt, 2) muss man Entscheidungen und Handlungen immer im Kontext sehen. Was wäre denn, wenn Putin ein lupenreiner Demokrat wäre? Dann wäre er trotzdem von seinem Umfeld abhängig und würde wohl von diesem abserviert.

Fazit: Vieles in Russland hat eine Vorder- und eine Rückseite. Wir sollten beide Seiten der Medaille betrachten.

Keine Kommentare: