Freitag, 22. Mai 2009

Für alle Unschlüssigen und Neugierigen: Wahl-O-Mat & EU-Profiler

Der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung endlich wieder online. Diesmal besonders interessant: Es sind nicht nur die großen Parteien vertreten, sondern ebenso alle kleinen Parteien.

Was kam bei mir heraus? Mit welcher Partei habe ich die meisten Übereinstimmungen? Nicht die Partei, die ich eigentlich wählen wollte. Immerhin ist es ein Partei, der ich mich nicht ganz so sehr fern fühle. Mit den kleinen Parteien hingegen gab es deutlich weniger Übereinstimmungen. Mag sein, dass es daran liegt, dass viele von ihnen nur "One-issue"-Parteien sind. Vor allem überraschte mich, dass ich hier mit den Newropeans gar nicht so viel gemeinsam hatte. Am nächsten von den kleinen war noch die Piratenpartei (übrigens ein sehr spannendes Projekt, in Schweden schaffen sie wahrscheinlich sogar ein paar Sitze).

Mit dem Wahl-O-Mat unzufrieden, versuchte ich es also mit dem EU-Profiler. Dort war ich erst recht schockiert. Der Wahl-O-Mat wurde mit fast 100%-iger Genauigkeit bestätigt: Ich lag nicht mit meiner, sondern mit der anderen Partei auf Linie. Meine Position und deren Position waren im Koordinatensystem (Variablen: ökonomisch links-rechts & pro-contra Europäische Integration) an genau derselben Stelle! Zum Glück kann man das Ergebnis noch anhand verschiedener Politikfelder vergleichen, dort gab es dann doch einige Unterschiede zwischen mir und der SPD (immer von "der Partei" zu sprechen ist ja doof).

Sonst ist der Profiler ebenfalls spannend. Er lässt sich nämlich für alle EU-Staaten anwenden, man kann also auch die Positionen der deutschen Parteien mit den Parteien anderer Länder vergleichen. Sogar die Schweiz und die Türkei sind dabei. Vergleicht man dabei die Variable "Europäische Integration", so sind alle deutschen Parteien eindeutig pro-europäisch. Ganz anders sieht es in der Schweiz aus, wo die Mehrheit der Parteien dem europskeptischen Lager angehört. Interessant auch Polen: Die PiS der Kaczynski-Zwillinge gilt als leicht-proeuropäisch, die PSL sogar als stark pro-europäisch. Das hätte vor ein paar Jahren noch anders ausgesehen.

Montag, 18. Mai 2009

Video "Erstwähler: Bock auf Europa, kein Bock auf Wahlen?"

Die Masterarbeit schlägt voll zu - da schreibe ich schon genug, zu mehr reicht es gerade kaum.
Für ein Video reicht die Zeit dann aber doch. Diesmal ein Beitrag von Euronews zur Europawahl:



Also: Auf zur Wahl!

Dienstag, 5. Mai 2009

Satirische Kunst in Brüssel

Es hängt zwar schon seit 5 Monaten in Brüssel, und die Skandale drumherum sind auch schon abgeklungen, aber ich finde es immer noch genial: Entropa, die Installation des tschechischen Künstlers David Černý, die er anlässlich der tschechischen Ratspräsidentschaft im Rat der Europäischen Union an die Decke gehängt hat.


Das Werk ist überdimensionaler Plastikbausatz, in dem jedes Land mit einem eigenen Bauteil dargestellt wird. So wird Deutschland durch Autobahnen (in Hakenkreuzform?) symbolisiert, Frankreich durch ein Plakat mit der Aufschrift "Grève!" ("Streik!"), Dänemark besteht aus Lego-Steinen.

Richtig toll sind die polnischen Popen, die eine Regenbogenflagge auf die polnische Erde pflanzen, und Großbritannien - als überzeugte Anti-Europäer haben sie ihr Bauteil verloren und fehlen (siehe auf dem Bild links oben).

Es geht also vor allem um Klischees, weniger um eine ernsthafte Auseinandersetzung. Europa sollte eben nicht immer eine ernste Angelegenheit sein, sondern kann ruhig auch einfach mal lustig daherkommen. Bekanntlich versteht aber leider nicht jeder Spaß und fühlt sich durch das Werk in seiner Ehre gekränkt, obwohl ja eigentlich wirklich fast jedes Land durch den Kakao gezogen wird.

5 friends 4 Europe

Willst Du zur Europawahl gehen? Oder willst Du gerade nicht gehen? Egal, in jedem Fall schau Dir dieses Video an:

Mittwoch, 11. März 2009

1 Jahr später: Alter Blog, neuer Titel

1 Jahr später will ich den Blog wieder ein wenig zum Leben erwecken.
Auf dem PC habe ich noch eine Liste, was ich alles über meine Moskauzeit schreiben wollte:

  • über einen Besuch beim Fußball (FK Moskva gegen Zenit Peterburg),
  • über meinen Stadtteil Vešnjaki,
  • über Moskauer Gehälter,
  • wie ich auf Anweisung des Ministeriums kein Blut spenden durfte,
  • über Deutsche in Moskau,
  • über unsere Exkursionen zu sozialen Einrichtungen,
  • über russische Symbole,
  • wie Moskau riecht,
  • wem die Russen vertrauen - und wem nicht.
Schade, das war mal aktuell. Jetzt jedoch bewegen mich ganz andere Dinge: So wohne ich nicht mehr in Moskau, sondern wieder in Deutschland, schreibe meine Masterarbeit und arbeite nebenher. Deshalb wurde der Blog umbenannt. Anstatt Moskau - mitten in Europa!? heißt er nun einfach mitten in Europa... Vielleicht fällt mir ja bald auch noch ein besserer Titel ein.

Worum soll's hier gehen?
Um allerlei Themen, die etwas mit Europa zu tun haben. Das kann die Europäische Union sein, aber auch andere europäische Organisationen, das kann mit dem Kontinent zu tun haben, es können einfach persönliche Beobachtungen sein. In jedem Fall geht es hier um ein Europa, das (mindestens) bis zum Ural reicht!
Schließlich ist Europa ein Thema mit vielen Facetten, über das zu schreiben es sich immer lohnt.
Weiterhin freue ich mich über Ideen, Kommentare, Anmerkungen.

Montag, 7. April 2008

Bei uns ist's viel wärmer als in Deutschland

Jemand von meinen Mitbewohnern hat mir erzählt, am Wochenende hätte es in Deutschland geschneit. Also bei uns ist der Winter schon richtig weit weg. Gestern war Rekordwetter, der wärmste 6. April, den es in Moskau je gab. Es hatte 19 Grad, das ist eigentlich viel zu warm für Anfang April (Klimawandel lässt auch in Russland grüßen). Es fangen sogar die Blumen an zu blühen, und auf vielen Wiesen beginnt das Gras zu wachsen. Unpraktisch nur, dass ich meine Winterjacke anziehen muss – eine andere habe ich nämlich nicht.

Sonntag, 6. April 2008

Wer sich engagiert, der fliegt!

Über die unmöglichen Zustände an der Soziologie-Fakultät der MGU wollte ich schon länger einen Eintrag haben, kam aber nicht zu. Nun gibt es einen guten Artikel in der Berliner Zeitung:

Berliner Zeitung, 2.4.2008

Rechtgläubige Soziologie
Das Schicksal eines Studentenprotests in Moskau
Christian Esch

Der Sozialismus ist untergegangen, die Soziologie lebt. Und wie! Das Aschenputtel unter den Fächern der Sowjetzeit verkauft sich im neuen russischen Kapitalismus ganz ausgezeichnet. Jedenfalls gilt das für die Soziologische Fakultät der Moskauer Lomonossow-Universität: Die Studenten dort, erklärt Swetlana Jerpyljowa, seien "reich und nicht besonders schlau, weil man da über Beziehungen und Bestechung reinkommt."

Swetlana hat selbst dort studiert, bis sie vor zwei Wochen mit drei anderen aufsässigen Studentinnen zwangsexmatrikuliert wurde. Vergangene Woche stand die 19-Jährige, zitternd vor Kälte, vor dem U-Bahnhof "Universität" - vor sich eine Meute von Journalisten mit Fernsehkameras, denn ihr Fall hat in Russland Wellen geschlagen, und hinter sich ein kläglich kleines Häuflein von Unterstützern, die nicht wie die Jeunesse Dorée Moskaus wirken. Es sind zwei Dutzend, die Transparente hochhalten und wacker Sprechchöre versuchen: "Exmatrikulier' Dich selbst, Dobrenkow!"

Wladimir Dobrenkow ist der Dekan der Soziologischen Fakultät, seit es diese gibt: seit dem Jahr 1989. Seiner eigenwillig-geschäftstüchtigen Herrschaft ist es zu verdanken, dass in einem Land, das Studentenproteste bisher so gut wie gar nicht kennt, eine kleine Rebellion in die Medien kam. Es gehe denen um nichts weniger als den Versuch, an der renommiertesten Universität des Landes den Keim einer Orangen Revolution zu pflanzen, behauptet der Dekan, der fest im Lager der orthodoxen Nationalisten steht; der sich als Feind westlicher Werteverhöhnung und Fürsprecher einer "rechtgläubigen Soziologie" gibt. Nein, sagt die Studenteninitiative "OD Group": Es geht um nichts anderes als den Versuch, die Qualität der Lehre zu heben.

Zwei Euro für eine Tasse Kaffee

Der Streit begann vor einem Jahr mit einer kleinen Flugblattaktion gegen die Kantinenpreise - umgerechnet zwei Euro kostete die Tasse Kaffee dort, bezahlbar nur für die "Maschory", die Kinder reicher Eltern. Der Gewinn floss laut Studenten in die Taschen des Sohnes des Dekans (was dieser allerdings abstreitet). Erst dann weitete sich der Protest auf die Lehre aus: Zeitgenössische Autoren würden gar nicht abgehandelt, verwendet bloß jene "inhaltslosen" Lehrbücher, die der Dekan mit seinem ständigen Koautor A. Krawtschenko verfasst, genauer: von anderen abgeschrieben hat. Auf der Webseite der Studenteninitiative sind Passagen der Lehrbücher von Dobrenkow und Krawtschenko (Spitzname: Internetschenko) als Plagiate entlarvt.

Hinzu kommt noch, dass Dobrenkow offenbar die Quote der gewinnbringenden zahlenden Studenten drastisch erhöht hat, so dass der Platz im Gebäude nicht reicht. Eine Lüftung gibt es hier nicht, dafür eine lückenlose Überwachung durch elektronische Drehkreuze und Videokameras.

Zuspruch von hoher Stelle

Dass die jungen Studenten - oder jene winzige aktive Minderheit unter den Kommilitonen, die man auf Demonstrationen findet - die Stirn haben, öffentlich über die wissenschaftliche Befähigung der Dozenten zu urteilen, ist eine empfindliche Verkehrung der Machtverhältnisse. Die Studenten haben Zuspruch von hoher Stelle erhalten: Bekannte russische Soziologen wie Tatjana Saslawskaja unterstützen sie, aber auch Soziologen aus dem Ausland wie Michel Wieviorka und die Russische Soziologische Gesellschaft. Die Gesellschaftskammer, ein von Wladimir Putin eingesetztes Gremium der Zivilgesellschaft, hat eine Expertenkommission eingesetzt, deren vernichtender Bericht im Dezember 2007 alle Vorwürfe bestätigte. Er fügte hinzu, einige der an den Lehrstühlen als beispielhaft ausgestellten studentischen Abschlussarbeiten seien "stark ideologisch gefärbt im Sinne der Intoleranz gegen andere Kulturen". Auch der chauvinistische Politiker und Parteichef Wladimir Schirinowski hat hier ja 1998 seinen späten Doktortitel erworben, mit einer Arbeit zum Thema "Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Russischen Nation".

Im Dekanat gibt man sich allerdings unerschüttert. Die Studenten seien zum Urteil über das wissenschaftliche Niveau nicht befähigt, andere Forscher "zutiefst subjektiv motiviert", befindet der Presseassistent des Dekans, Wladimir Minkewitsch. Die riesige Mehrheit der 2700 Studenten sei völlig zufrieden. Und die kritischen Studentinnen seien nicht wegen ihrer Kritik exmatrikuliert worden, sondern weil ihre akademischen Leistungen nicht genügt hätten. Swetlana Jerpyljowa hat, wie eine Mitstreiterin, sämtliche vorangegangenen Zeugnisse ins Internet gestellt: Fast überall steht "Ausgezeichnet", die Bestnote. Die schlechte Abschlussnote des dritten Jahres sei ihr nicht begründet worden.

Ob sie Angst hatte, als sie sich in OD-Gruppe einreihte? Die Mehrzahl der Mitglieder gibt ja noch nicht mal ihre Identität preis. "Ja, im ersten Halbjahr hatte ich Angst, obwohl ich gar nicht weiß wovor - ob vor der Reaktion der anderen Studenten oder vor den Maßnahmen des Dekans." Dann habe sie die Angst verloren. Mit der Angst ist nun aber auch der Studienplatz verloren gegangen. Swetlana versucht jetzt, an eine andere Hochschule zu wechseln. Dobrenkow bleibt Dekan, und Kapitalismus und orthodoxe Soziologie können einander weiter bereichern.

Die Proteste sind der Keim einer Orangen Revolution, sagt der Dekan. Es geht um die Qualität der Lehre, sagen die Studenten.

So ziemlich der Hammer, oder? Da kann man sich so richtig aufregen. Welch ein Paradies sind doch im Vergleich dazu deutsche Hochschulen, wo sich die Studierenden für das einsetzen können, was ihnen wichtig ist [Auch für die Huldigung von Rektoren, so wie der RCDS in Freiburg, haha, kein Aprilscherz]. Ebenso zeigt dieser Vorgang jedoch, dass sich auch in Russland junge Leute nicht alles bieten lassen und sich für ihre Rechte einsetzen.

Wer noch mehr darüber wissen will: