Samstag, 8. März 2008

Kaderschmiede des Komsomol

Jede Uni, so auch die unsrige, ist stolz auf ihre Geschichte. Unsere Uni – das ist die Moskauer Universität für Geisteswissenschaften (MosGU). Diesen Namen trägt sie erst seit 7 Jahren. Gegründet wurde sie nämlich als Hochschule des kommunistischen Jugendverbandes der Sowjetunion, des Komsomol. Der Komsomol besaß zu Sowjetzeiten praktisch das Monopol auf Jugendarbeit und hatte den Auftrag, die jungen Sowjetbürger zu begeisterten Anhängern des Kommunismus machen. Andere Jugendverbände gab es praktisch nicht, mit seinen 30 Millionen Mitgliedern war der Komsomol innerhalb der Sowjetunion nicht nur ein bedeutendes Machtinstrument, sondern selbst ein Machtfaktor.

Funktionärsausbildung
An der Hochschule wurden dann zukünftige Funktionäre für die verschiedenen Organisationsebenen ausgebildet. Als ehemaliger Gremienmensch in der Jugendarbeit müsste ich mir also heimisch vorkommen... ;-) Übrigens waren dadurch früher auch viele internationale Studierende aus den kommunistischen Bruderstaaten da, darunter ein späteterer chinesischer Außenminister, der auf der Absolventenliste auftaucht.

Wandel zur Privatuni
Anders als die Hochschule der Parteimutter KPdSU schaffte es die Uni durch die Zeit nach 1991 (in diesem Jahr wurde der Komsomol verboten) und wurde zu einer Privatuni. Welche Trägerstruktur die Universität heute besitzt oder ob sie vollkommen selbständig ist, habe ich bisher noch nicht herausgefunden.*

Soziale Arbeit
Schon relativ bald nach 1991 konnte man an der Uni „Soziale Arbeit“ studieren – nach Aussagen der Uni selbst gab es hier die erste eigene Fakultät für Soziale Arbeit in ganz Russland. Andere Fachbereiche (Tourismus, Reklame, Internationale Beziehungen) sind seither hinzugekommen, insgesamt studieren hier heute 10.000 Studierende. Von der Größe her ist das im Mittelfeld der unzähligen Universitäten in Moskau.

Folgen der sowjetischen Hochschulbildung
Der Unterricht ist guter russischer Durchschnitt: Wir sind keine Eliteuni, aber auch nicht gerade schlecht. Einigen älteren Professoren merkt man leider die sowjetische Unterrichtstradition an. Gerade in den Geisteswissenschaften war die „wissenschaftlich bewiesene“ Ideologie des Marxismus-Leninismus verheerend: Eigenständiges Denken außerhalb ideologischer Denkschablonen konnte kaum stattfinden; nicht Systematik und Logik standen im Zentrum, sondern die Anpassung an das erwünschte Weltbild. Deshalb haben wir nun manchmal sowjetischen Unterricht minus Kommunismus. Da wird von einem Professor die Wissenschaft an sich gelobt, ohne dass er bei seinen Ausführungen auch nur einmal eine Quelle nennen könnte; da wird jegliche Religion abgelehnt, da diese zu dogmatisch sei („Also ich bin Atheist“), nur um im nächsten Satz zu erläutern, dass eigentlich nur Gott den Frieden in die Welt bringen könne. Aha! Diese schiefe Logik bietet überhaupt keine Angriffsfläche für Kritik – den Profs ist selbst nämlich gar nicht klar, dass ihre Aussagen manchmal weder Hand noch Fuß haben.
Die jüngeren Generationen der Dozenten sind hingegen deutlich besser, offener, systematischer im Vorgehen. Da macht es mehr Spaß, weil man einfach mehr lernt und offen diskutieren kann.

Personenkult
Auch typisch Russland (aber auch in Deutschland ab und zu anzutreffen): Ein bisschen zu viel Personenkult um unseren Rektor Igor Iljinskij. Seine Bücher sind in jedem Hörsaal ausgestellt, überall läuft man Fotos mit seinem Konterfei über den Weg.

Park!
Super ist unser Unicampus: Ein parkähnliches Gelände mit vielen Bäumen und einem Mix von (neo-)klassizistischen und sozrealistischen Gebäuden. Gleich daneben ist außerdem der Park von Kuskowo. Manchmal glaubt man gar nicht, dass man sich in der Megastadt Moskau befindet:

Korpus 1, ein früheres Anwesen von Graf Scheremetjew

Korpus 3 (wunderschöner Sowjet-Style)

Fast alle unsere Veranstaltungen sind in Korpus A

Unser Wohnheim

Sternwarte???

Gedenktafel zu Ehren der Gefallenen im Großen Vaterländischen Krieg (=Zweiter Weltkrieg)


*Nachtrag, 8.3., 17.14 Uhr:
Scheinbar gehört alles unserem Rektor, einschließlich des riesengroßen Territoriums. Das ist bei den Moskauer Grundstückpreisen zig Millionen wert. Wahrscheinlich wurde die Uni, so wie vieles in den 90ern, privatisiert. In diesem Fall zu Gunsten des Rektors. Besonders kritisch daran ist die Abhängigkeit der gesamten Uni von einer Person. Was geschieht, wenn er plötzlich keine Lust mehr hat oder aufgrund einer Krankheit nicht mehr kann?

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hier werde ich mal nen Link auf meine Seite setzen, dann muss ich das nicht mehr schreiben. Supi...Su