Sonntag, 6. April 2008

Meerschweinchen im Park

Wir laufen durch den Park von der Metro nach Hause. Da kommt eine Frau mit ihrem kleinen Hündchen vorbei. Dazu Tiina: "Schaut mal, da führt wieder jemand sein Meerschweinchen spazieren."

Sozialarbeiter ohne Soziale Arbeit

An unserer Uni gibt es etwas Eigenartiges. Zwar studieren hier ein paar Hundert Leute das Fach Soziale Arbeit, die Mehrheit aber will im Anschluss gar nicht als Sozialarbeiter arbeiten, sondern irgendeine andere Tätigkeit ausüben. Der Grund ist vielfach sehr einfach. Im sozialen Bereich in Russland kann man als MitarbeiterIn nur ziemlich wenig Geld verdienen. Anzutreffen ist auch immer wieder eine sehr schwach ausgeprägte Motivation. Auf die Frage, warum er das studiere, antwortete uns ein Student einmal: „Weiß ich nicht. Ich studiere halt in Moskau.“ Irgendwie fnde ich das reichlich sonderbar. Da beschäftigen sich alle mit Sozialarbeit, aber danach umsetzen will es keiner.

Gestern haben wir aber zum ersten Mal jemanden getroffen, der im sozialen Bereich arbeitet, obwohl er nicht einmal Sozialarbeiter ist. Igor war an der Landwirtschaftsakademie und hat dort Pädagogik gelernt. Bei einem Betriebspraktikum in der Nähe von München hat er vor mehreren Jahren therapeutisches Reiten entdeckt. Daraufhin hat er in Moskau nach der „Ippoterapija“ gesucht und dort angefangen zu arbeiten. Im Moment schreibt er darüber seine Dissertation. In die Therapie kommen ganz unterschiedliche Leute, hat er uns erzählt. Psychisch Kranke, Menschen mit Down-Syndrom, Autisten. Man hat richtig gemerkt, dass ihm dieser Job Spaß macht. Leider sei diese Art von Therapie in Russland noch nicht sehr entwickelt. In Deutschland gebe es etwa 10 mal so häufig. Aber es würde in Russland immer mehr zunehmen.

Diesen Eindruck habe ich hier, zumindest in Moskau, immer wieder. Zwar liegt im sozialen Bereich vieles im Argen, aber es gibt stetige Verbesserungen, was die Weiterentwicklung von Strukturen und die Finanzierung betrifft. Schwieriger wird es bei der Wahrnehmung innerhalb der Gesellschaft. Denn oft werden Menschen, die sowieso schon am Rande stehen, noch weiter ausgegrenzt. Sei dies bei Obdachlosen, bei Psychisch Kranken oder bei Menschen mit Behinderung. Mit denen will man nix zu tun haben. Vieles ist bestimmt eine Folge der Sowjetunion, wo solche Probleme einfach in irgendwelche verlotterten Heime auf dem Land abgeschoben wurden, so dass der Durchschnittssowjetbürger überhaupt nichts davon mitbekommen hat. Mit solchen Menschen war man nie konfrontiert. Und was man nicht kennt, das lehnt man ab. Aber bis zur Integration in die Gesellschaft ist es noch ein weiter Weg.

Freitag, 4. April 2008

Sowjetwitz des Tages VIII: Karl Marx im Radio

Karl Marx wünscht, in der UdSSR im Radio aufzutreten.
„Obwohl Sie der Begründer des Kommunismus sagt,“ sagt ihm Breschnew, „kann ich eine solch wichtige Frage nicht alleine entscheiden. Wir haben ja eine kollektive Führung.“
„Ich werde nur einen Satz sagen!“
Breschnew entscheidet, dass er für nur einen Satz die Verantwortung übernehmen könne.
Marx tritt ans Mikrophon und ruft: „Proletarier aller Länder, vergebt mir!“
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Карл Маркс захотел выступить в СССР по радио.
- Хучь вы и комунисиський основоположник, - сказал ему
Брежнев, - я не могу единолично решить такой важный вопрос. У нас
коллективное руководство.
- Я скажу только одну фразу!
Cказать одну фразу Брежнев разрешил под свою ответственность.
Маркс подошел к микрофону и прокричал:
- Пролетарии всех стран, простите меня!

Büchertips

Was macht man in Moskau, wenn man eine halbe Stunde mit der Metro in die Stadt fährt? Man liest. Schon als ich vor 4 Jahren in Moskau war, habe ich die Metro dafür geliebt, dass ich endlich Zeit hatte, Bücher zu lesen. Schließlich braucht man da ja nicht mehr dazu als ein Taschenbuch, das man sich einfach in die Jacke steckt und mit einer Hand halten kann.

Neben diversen Zeitschriften habe ich bis letzte Woche Wladimir Sorokins День опричника („Der Tag des Opritschniks“) gelesen. Eine Antiutopie von Russland im Jahr 2028, bei dem an der Westgrenze eine große Mauer hochgezogen wurde, um Russland vor dem sündhaften Ausland zu beschützen. Erzählt wird der typische Tagesablauf eines typischen Opritschniks, eines Mitarbeiters der Opritschnina. Unter Zar Iwan IV. (=Grosnyj = der Schreckliche) war das so eine Art private Geheimpolizei des Zaren, die dessen persönliche Aufträge ausführte und einen Staat im Staate bildete. Auch 2028 gibt es wieder einen Zaren (den großen Gosudar), der uneingeschränkt über die Große Rus’ herrscht und mit seiner Weisheit und seiner Mildtätigkeit alle Menschenkinder beglückt. Die Opritschnina der Moderne ist dafür zuständig, seine wunderbare Politik durchzusetzen und alle, die sich dem Allgemeinwohl in den Weg stellen, zu entfernen. Dabei geht es ziemlich derb zu, es werden Drogen konsumiert, Menschen ermordet und Frauen vergewaltigt. Spannend ist das Buch deshalb, weil viele Tendenzen der Gegenwart in die Zukunft weitergedacht werden. Manchmal überzeugend, manchmal eher nicht. Jedenfalls interessant. Sorokin selbst äußert sich zu seinem Werk, er habe damit ein politisches Buch schreiben wollen, denn praktisch könne sich nur noch die Kunst Meinungsfreiheit leisten.

Jetzt lese ich aber was anderes, von Ruben David Gonzalez Gallego Белое на Черном („Weiß auf Schwarz"), 2003 mit dem Booker, einem der bekanntesten russischen Buchpreise, ausgezeichneten Buch. Darin beschreibt Gallego seine Kindheit in sowjetischen Kinderheimen – als behindertes Waisenkind. Die Sprache ist ziemlich einfach und doch kraftvoll (Wer Russisch lernt und noch nie ein russisches Buch gelesen hat – damit kann man gut anfangen!). Die Zustände in der Kinderheimen der Sowjetunion waren ziemlich menschenunwürdig und würden uns total erschrecken. Anstatt aber zu versuchen, Mitleid für sein eigenes Schicksal und das anderer zu erzeugen, schreibt Gallego, er wolle nur die positiven Seiten zeigen. Denn schließlich seien Kinder, die ihre Arme und ihre Beine nicht bewegen können und unter widrigen Umständen überleben, Helden. Von diesen Helden erzähle er. Ein tolles Buch, lohnt sich auf jeden Fall. Besonders für Sozialarbeiter ;-)

Alles voll

Gerade weiß ich überhaupt nicht, wo mir der Kopf steht. Seit letzter Woche gibt es plötzlich ein riesiges Aufkommen an Hausaufgaben, es gibt so richtig viel zu tun. ein Forschungsprogramm entwickeln, Texte auswerten, Russisch-Vokabeln, Wörter für ein Wörterbuch sammeln, mit MS Access (echt benutzerunfreundliches Programm – selbst Lotus Notes ist da besser) eine Datenbank erstellen, PowerPoint-Präsentation, und dann noch 6 Tage in der Uni Veranstaltungen. Aber immerhin macht es Spaß.

Leider leidet der Blog ziemlich darunter, dass ich plötzlich ein so großes Aufkommen an Prioritäten habe. Dabei habe ich eigentlich so eine große Liste von Themen, über die man lohnend schreiben könnte...

Donnerstag, 27. März 2008

Werben Sie für Milchprodukte!

So werden in Moskau Studentenjobs gesucht [Hinweis: In Moskau gibt es einen Mangel an Arbeitskräften in praktisch jeder Sphäre.]:

Die Firma IMS lädt Sie ein, am neuen Projekt des weltweit größten Herstellers für MILCHPRODUKTE teilzunehmen!!!

Sie haben die perfekte Gelegenheit, eine Arbeit für den Sommer zu bekommen und mit Freund oder Freundin zusammen zu arbeiten!!!

Wir laden Sie ein, an einer tollen, sommerlichen, strahlenden, fröhlichen Aktion teilzunehmen!!!

Zeitplan: Donnerstag, Freitag, 16.00-20.00 und Samstag, 11.00-14.00.

Bezahlung: 1-2 Wochen 3,8$ pro Stunde, 3-4 Wochen 4,2$ pro Stunde

Arbeitsplatz:
Moskauer Supermärkte

Art der Tätigkeit:
Sie tragen die sehr grellen und schönen Verkleidungen der Helden unseres Produktes.

Unsere Anforderungen:
Junge Frauen und Männer ab 16 Jahre, Kleidergröße bis 46, mind. 165cm groß, Medizinischer Ausweis.

Melden Sie sich für ein Bewerbungsgespräch unter Telefon 933-09-41


Wer hat Lust?

Kleinigkeiten: Ein Metroeingang

Russland war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Mekka für Architekten. Viele tolle Gebäude und Architekturdenkmäler sind in dieser Zeit entstanden. Nicht nur Stalins Zuckerbäckerstil, sondern auch der Konstruktivismus hat hier ein Zuhause.

Ein tolles Beispiel ist das südliche Vestibül der Metro-Station "Krasnye Vorota" (ohne viel Ahnung zu haben - ich glaube, es ist konstruktivistisch):